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Politische Songs - Ausgabe II

Ursprünglich als musikalischer Adventskalender angelegt, lädt diese Sammlung Politische Songs - Ausgabe II ein, anhand weniger Liedzeilen zu erraten, um welchen Song es sich handelt (weitere Songs finden sich in der Ausgabe I, Ausgabe III).

Wem gelingt es, anhand der Abbildung unten zu erraten

- wie der Songtitel lautet?
- wer ihn
  gesungen hat?
- in welchem Jahr er erschienen ist?

Am Ende findet sich die Auflösung mit dem Songtext, Hintergrundinformationen über seine Entstehungsgeschichte sowie ein YouTube-Video.

Viel Spaß beim Mitraten!

SONG 10

> Auflösung

 

KÖNIG VON DEUTSCHLAND

1975 erstmals gesungen von RIO REISER mit TONSTEINE SCHERBEN
1986 wurde der Song mit dem Solokünstler RIO REISER veröffentlicht und ein Hit
1994 nochmals in neuer Version erschienen

 

Jede Nacht um halb eins
Wenn das Fernsehen rauscht
Leg ich mich auf's Bett und mal mir aus
Wie es wäre, wenn ich nicht der wäre,
der ich bin
Sondern Kanzler, Kaiser, König oder Königin
Ich denk' mir, was der Kohl da kann
Das kann ich auch
Ich würd' Vivaldi hören tagein-tagaus
Ich käm' viel rum, würd' nach USA reisen
Ronnie mal wie Waldi in die Waden beissen

Das alles und noch viel mehr
Würd' ich machen
Wenn ich König von Deutschland wär'
Oh... das alles und noch viel mehr
Würd' ich machen
Wenn ich König von Deutschland wär'

Ich würd' die Krone täglich wechseln
Würde zweimal baden
Würd' die Lottozahlen
eine Woche vorher sagen
Bei der Bundeswehr
gäb' es nur noch Hit-Paraden
Ich würd' jeden Tag

im Jahr Geburtstag haben
Im Fernseh'n gäb es nur noch ein Programm
Robert Lembke 24 Stunden lang
Ich hätte zweihundert Schlösser
Und wär' nie mehr pleite
Ich wär' Rio I., Sissi die II.

Das alles und noch viel mehr
Würd' ich machen
Wenn ich König von Deutschland wär'
Oh..., das alles und noch viel mehr
Würd' ich machen
Wenn ich König von Deutschland wär'

Die Socken und die Autos
dürften nicht mehr stinken
Ich würd' jeden Morgen erstmal ein Glas Champus trinken
Ich wär' schicker als der Schmidt
und dicker als der Strauß
Und meine Platten kämen ganz groß raus
Reinhard Mey wäre des Königs Barde
Paola und Kurt Felix wären Schweizer Garde
Vorher würd' ich gern wissen,
ob sie Spaß versteh'n
Sie müssten 48 Stunden ihre Show anseh'n

Das alles und noch viel mehr
Würd' ich machen
Wenn ich König von Deutschland wär'
Das alles und noch viel mehr
Würd' ich machen
Wenn ich König von Deutschland wär'
Das alles, und noch viel mehr
Würd' ich machen
Wenn ich König von Deutschland... wär'

 

ZUR ENTSTEHUNG

"König von Deutschland" wurde 1986 als Single in Deutschland von Rio Reiser - mit bürgerlichem Namen Ralph Christian Möbius - veröffentlicht, jedoch entstand es schon 1975 für "Ton, Steine, Scherben".

Mit ihrem sozialkritischen Politrock prägten Rio Reiser und seine Band den Aufbruch einer ganzen Generation. Ihre rebellischen Texte und rockigen Rhythmen waren das musikalische Sprachrohr des linksalternativen Spektrums der Bundesrepublik und West-Berlins der 70er Jahre.
Mit ihrer Reflexion der Politik erinnern sie an eine Phase der bundesdeutschen Geschichte, in der Hausbesetzungen, die Gründung von Kollektiven und die Überwindung verkrusteter Verhaltensweisen eine neue Lebensperspektive eröffnen sollten.

Mit seiner Band "Ton Steine Scherben" avancierte Rio Reiser erst zur Ikone der Berliner Hausbesetzerszene und schließlich 1986 zum selbsternannten "König von Deutschland". Es ist nahe liegend, das Lied als Zeitgeist-Phänomen zu deuten. als einen musikalischen Reflex auf die gesellschaftlichen Umbrüche in den 80er-Jahren: Der Traum von der Revolution ist ausgeträumt. Das Establishment hat gewonnen.

Eigentlich hatte sich sich die Band Ende der 70er von den sogenannten "Politparolen" wieder abgewendet, hin zu privateren Themen. Was den raum-zeitlichen sowie situativen Kontext betrifft, so kann "König von Deutschland" jedoch als Satire auf die Bundesrepublik Deutschland in den 80er Jahren gesehen werden. Im Hinblick auf seine Vergangenheit als sogenannter „Agrirocker“ mit doch recht radikalen Anhängern, scheint es nicht verwunderlich, dass Reiser trotz der Abwendung der starken politischen Stellungnahmen in seinen Texten, doch Kritik - welche hier das gesamte öffentliche Leben in Deutschland einschließt - nicht ganz unterlassen kann.

Quelle: Anne Fischbach, Kulturwissenschaftliche Textanalyse am Beispiel Rio Reise - König von Deutschland
 

Rio Reiser-Konzerte 1988 in Ostberlin


Die 1980er Jahre in der DDR waren geprägt von einer "lähmenden Langeweile", wie sich der Musiker Lutz Kerschowski erinnert. Das pralle Leben fand - wie immer - anderswo statt. Tausende junger DDR-Bürger drängten sich 1987 am Brandenburger Tor, um die Töne zu erhaschen, die von der Westseite herüberwehten. Steine flogen, Flaschen; Rufe schallten durch die Dunkelheit, nach Gorbatschow, nach Perestroika, nach Freiheit, gegen "Russen" und "Bullenschweine". Die Jugendlichen sangen die "Internationale" und riefen: "Die Mauer muss weg!"
Die DDR-Führung reagierte prompt und wies das Kulturministerium und die FDJ an, mehr attraktive Rock-Konzerte zu veranstalten, dann wäre der Frieden wiederhergestellt - so die Überlegung.  So kam im Oktober 1988 Rio Reiser auf Einladung der FDJ zu zwei Konzerten nach Ostberlin.  Den legendären "Ton Steine Scherben" - Song "Keine Macht für niemand" durfte Reiser im Arbeiter- und Bauernstaat allerdings nicht singen.

Quelle: Henry Bernhard, MDR-Zeitreise

Von dem Lied gibt es zahlreiche Coverversionen, teilweise mit veränderten Texten, unter anderem von C.I.A. mit Axel Kurth (WIZO) und Bela B. (Die Ärzte), von J.B.O., von Ferris MC, Roger Cicero, Bill Kaulitz von Tokio Hotel, Daniel Küblböck, Der Checker, Mono & Nikitaman, Gregor Meyle und von der Band Echt. Eine „weibliche“ Version mit dem Titel Königin von Deutschland gibt es von Nessi Tausendschön.

 

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zum Themenbereich BRD-Geschichte